Jedes Jahr beginnt die Suche nach dem perfekten Winterreifen. Bei Fahrzeugbetriebskosten, die allen im Kopf herumgehen, ist die Versuchung groß, mit einem Satz Budget-Reifen ein paar hundert Euro zu sparen. Doch was opfert man an Sicherheit und Performance? Um dem auf den Grund zu gehen, führte das angesehene deutsche Magazin Automotorsport einen umfassenden Test in der gängigen Dimension 215/55 R17 durch. Die Aufstellung war darauf ausgelegt, die Wahrheit zu finden: Spitzenmodelle von Continental und Michelin traten gegen preisorientierte Marken und sogar einen supergünstigen Linglong-Reifen an – um zu sehen, welche wirklich liefern, wenn es hart auf hart kommt.
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Die schneereiche Überraschung: Ein runderneuerter Reifen erteilt eine Lektion
Als die Schneetests begannen, setzten sich die erwarteten Namen an die Spitze. Der brandneue Bridgestone Blizzak 6 (★91) war überragend, bot eine ausgewogene, führende Performance, dicht gefolgt vom stets kompetenten Goodyear UltraGrip Performance.
Aber hier wird es interessant. Direkt hinter diesen Premium-Giganten folgte eine komplette Überraschung: der Profil Winter Maxx, ein runderneuerter Reifen. Dank einer äußerst weichen Mischung und eines tiefen, aggressiven Profils konnte er die Top-Performer im weißen Element tatsächlich herausfordern. Die Tester merkten an, dass er dem Fahrer etwas mehr abverlangt, in geübten Händen jedoch ein souveränes und sicheres Handling bot. Ein faszinierendes Ergebnis – aber würde es Bestand haben?
Hankook, Michelin und Continental schlugen sich ebenfalls erwartungsgemäß gut. Die einzigen wirklichen Enttäuschungen im Schnee waren der Falken Eurowinter HS02, der mit Grip-Problemen kämpfte und für schneereiche Regionen nicht zu empfehlen ist, sowie der Vredestein, der beim Schneebremsen Schwächen zeigte.
Realitätsschock: Katastrophales Versagen auf nassen Straßen
War der Profil Winter Maxx im Schnee der Held, wurde er im Nassen zum Bösewicht. Die Ergebnisse waren nicht nur schlecht; sie waren brandgefährlich. Beim Bremsen aus 80 km/h auf nasser Fahrbahn benötigte der runderneuerte Reifen fast 53 Meter bis zum Stillstand. Zum Vergleich: Das sind über 20 Meter mehr als der Testmittelwert. Fürs Bremsen gab es null Punkte. In Kurven rutschte er schlichtweg weg, und gegen Aquaplaning hatte er keinerlei Reserven. Das Urteil der deutschen Tester war unmissverständlich: “Finger weg!”
Wer beherrschte also die Nässe? Wenig überraschend war der Continental TS 870 eine Klasse für sich, holte die Topwertung und bestätigte seinen Ruf als Regenmeister. Vredestein und Goodyear lieferten ebenfalls Spitzenleistungen im Nassen. Michelin, Pirelli und Hankook folgten mit nur kleinen Schwächen. Der preisgünstige Linglong und der Falken wurden in diesen entscheidenden Disziplinen hingegen in die “dritte Liga” verwiesen.
Trockenleistung und tiefere Schwächen
Auf trockener Fahrbahn untermauerten die Spitzenreiter ihre Dominanz. Der Goodyear wurde für die Kombination aus stabiler Kurvendynamik und hohem Komfort gelobt, während der Continental mit den kürzesten Bremswegen und einem makellosen, stimmigen Gesamtverhalten beeindruckte.
Hier zeigt sich auch die Detailarbeit der Premiumreifen. Während die günstigen Linglong- und Falken-Reifen noch ordentlich verzögern konnten, lagen die Schwächen im Detail: diffuse Lenkansprache, geringe Seitenführung in Kurven und mangelnde Stabilität bei Ausweichmanövern. Die Tester vermerkten zudem, dass beim Geräusch- und Komfortverhalten noch erheblicher Entwicklungsbedarf besteht.
Und der runderneuerte Reifen? Er war auf trockenem Untergrund ebenso verloren wie im Nassen: schwaches Bremsen, unberechenbares Wegrutschen in Kurven und unangenehme Abrollgeräusche. Die Tester wiesen zutreffend darauf hin, dass das inkonsistente Handling wahrscheinlich auf die Verwendung unterschiedlicher Karkassen – also der internen Stahl- und Textilstruktur – zurückzuführen ist, ein typisches Problem runderneuerter Produkte.
Die EU-Labels vs. die Realität
Das ist der Teil der Bewertung, für den echte Reifen-Nerds leben. Automotorsport nahm die Ergebnisse nicht einfach für bare Münze; das Team verglich sie mit dem EU-Reifenlabel und kaufte einige Reifen sogar erneut im Handel, um einen Nachtest durchzuführen.
Der Linglong Sport Master (★72) Winter kam mit einer eigendeklarierten Nassgriff-Klasse “A” – der höchstmöglichen. Das würde nahelegen, er müsse Legenden wie Conti und Goodyear übertreffen. Die Realität? Keineswegs. Der Test legt nahe, dass der Reifen gezielt auf die spezifischen, eng begrenzten Prüfungen des Labels (wie Geradeausbremsen) hin konstruiert wurde, während andere kritische fahrdynamische Eigenschaften vernachlässigt wurden. Das Magazin nannte das Label “irreführend”.
Der Nachtest brachte noch mehr zutage:
- Continental: Die im Handel gekauften Reifen entsprachen den Testreifen. Ein Muster an Konstanz.
- Bridgestone: Der später erworbene Reifen war im Nassen messbar besser als das ursprüngliche Testexemplar, was darauf hindeutet, dass frühe Produktionschargen noch nicht vollständig optimiert waren.
- Linglong: Dies war der härteste Befund. Das Unternehmen hatte die Reifenbezeichnung kürzlich von “Grip Master” auf “Sport Master” geändert. Das Magazin testete beide, und beide schnitten schlechter ab als der ursprüngliche Testreifen; die Nassbremswege verlängerten sich um 3–4 %. Das deutet auf erhebliche Defizite bei Prozessstabilität und Fertigungskonstanz im serbischen Werk hin.
Fazit: Der richtige Reifen für den richtigen Einsatz
Welchen Reifen sollte man also kaufen? Wie immer hängt es von den Prioritäten ab. Automotorsport liefert eine klare Zusammenfassung:
- Für maximale Sicherheit im Nassen: Wer überwiegend kalte, regnerische Winter und wenig Schnee hat, für den ist der Testsieger Continental TS 870 die bewährte Wahl.
- Der beste Allrounder: Wer einen Reifen sucht, der von Schnee bis trockener Straße in allen Disziplinen herausragt, für den ist der Goodyear UltraGrip Performance die Messlatte.
- Für schneereiche Regionen: Wer Top-Performance im tiefen Schnee benötigt, findet im neuen Bridgestone Blizzak 6 (★91) seinen Favoriten.
- Der Preis-Leistungs-König: Wer das meiste fürs Geld will, bekommt mit dem Hankook i*cept RS3 aktuell das beste Preis-Leistungs-Verhältnis.